Die Wittekindspende ( das Timpkenfest )

Mit einer Totenfeier wird in Enger seit Jahrhunderten alljährlich am 6. Januar
- dem vermeintlichen Todestag Widukinds -
das Gedächtnis an den sächsischen Adeligen wachgehalten .
Gesicherte und urkundliche Nachrichten über dieses als Wittekindspende ,
volkstümlich auch als "Timpkenfest" bezeichnetes Brauchtum reichen bis
Mitte des 16. Jahrhunderts zurück .
Die wittekindsspende ist ihrem Ursprung und Charakter nach eine mittelalterliche
Memorienstiftung ; sie verbindet in typischer Weise liturgisches Totengedenken
mit einem gemeinschaftlichen Mahl und karitativen Leistungen .
Die Stiftung der Spende steht wahrscheinlich in Verbindung mit dem Aufblühen
des Dionysiusstiftes im 12. Jahrhundert . Nach der Verlegung des Stiftes aus Enger lagen Trägerschaft
und Organisation der Wittekindspende bei der Kirche .
Die Verteilung in Form von Naturalien an Kinder und Bedürftige wird seit altersher von
geistlichen und weltlichen Würdenträgern ( Provisoren ) vorgenommen .
Sie versammeln sich nach der Amtshandlung zu einem gemeinsamen Mahl .

Form und Verlauf der Wittekindspende
Die Grundzüge der Widukindgedächtnisfeier haben sich in Enger seit Beginn ihrer
schriftlichen Überlieferung im 16. Jahrhundert nicht grundlegend geändert.
Die Feierlichkeiten beginnen am Vortage des 6. Januar.
Zur sogenannten „Königsstunde" (zwischen 12 und 13 Uhr) erklingt ein
feierliches Glockengeläut. Am folgenden Tag findet in der früheren Stiftskirche
am Grabmal Widukinds eine Totenfeier statt.
Diese Zeremonie wiederholt in sinnbildlicher Form die Beerdigung Widukinds.
Nach dem Gottesdienst wird die Verteilung der Wittekindspende vorgenommen.
Bis um 1840 wurde sie von Bewohnern Engers und des Kirchspiels aufgebracht.
Kinder und Jugendliche — nach alter Überlieferung an diesem Tag vom
Unterricht befreit -- erhalten Timpken
(= Weißbrotstuten in der Form eines schiefen Vierecks,
die von den Spitzen aus kreuzweise zerschnitten werden).
Noch bis Anfang des Ersten Weltkrieges konnten in Enger Timpken während des
ganzen Jahres beim Bäcker gekauft werden. In den letzten Jahren schwankte
die Zahl der Festteilnehmer zwischen 600 bis 900 Kindern, die der
verteilten Timpken zwischen 12 000 bis 14 000 Stück.
In der NS-Zeit gab es vorübergehend Versuche, die Wittekindspende religiöser Inhalte
zu entleeren und sie im Sinne der nationalsozialistischen „Weltanschauung" zu
einem Widukindkult umzufunktionieren.
 

Kartoffelstärke für den Timpkenglanz
( Bericht aus der Neuen Westfälischen )

Tiemann und Strack backen 8.000 Stück zum Fest
Enger (fx). Für Konditormeister Hans-Herbert Tiemann war der Freitag "ein Tag wie jeder andere auch": um
halb fünf die Backstube betreten. Teig ansetzen, den Elektroofen anschmeißen.
Erst kommen die Brötchen, als zweites das Weißbrot, als nächstes diverse Plundersorten und
dann erstmal das eigene Frühstück. Fürs erste gesättigt, gehts mit dem Graubrot weiter.
Und doch klebte am Freitag noch ein geheimes Rezept an der Wand: Engeraner Timpken.
"In diesem Teig ist weniger Zucker als im normalen vorhanden", gibt der Meister preis.
Traditionell stellen die Engeraner Sattelmeier das Mehl zur Verfügung. Zum weißen Pulver kommen noch
Zucker, Salz, Milch, Fett und natürlich Hefe hinzu. 20 Minuten dauert es, bis das Gemisch in
der Knetmaschine die richtige Konsistenz bekommen hat.
Die Zeit ist um. Die etwa 30 Kilogramm Teig sind fertig. Tiemann hievt den Klumpen auf den Arbeitstisch,
greift zum Spachtel und trennt kleine Portionen zu je 2, 5 Kilogramm ab.
Sein Geselle Matthias Schomburg greift in eine Schale Mehl, streut damit die Arbeitsfläche aus,
damit nichts fest klebt, und nimmt sich den Teig vor. Als Klumpen können die beiden ihn
nicht weiter bearbeiten. Daher wälzt er die Brocken solange auf der Holzplatte hin und her,
bis sie zu glatten Ballen werden. 18 Stück ruhen zu dritt in einer Reihe nebeneinander.
Ausgediente Deutsche-Post-Säcke - damit deckt der Meister den in Form gebrachten Hefeteig zu,
so dass er aufgehen kann. "Man schläft ja auch besser, wenn man warm zugedeckt ist", erklärt
seine Mutter Helga. Sie spricht aus Erfahrung. Backt Timpken, so lang sie denken kann.
"Über 60 Jahre sinds bestimmt."
Nach dem Schlaf kommen die Ballen auf rote Plastikteller, um "auszuwirken":
An der Pressmaschine drückt Geselle Schomburg immer wieder den Hebel - gewetzte Messer
schneiden den Teig in kleine Stücke, eine Rotationsscheibe formt sie zu Kugeln.
Helga Tiemann steht an der Ausrollmaschine und platziert eine nach der anderen auf der Rollmatte,
damit sie die Walze in die Mangel nimmt und der Teig nun wieder platt gedrückt herauskommt.
Anschließend läuft er noch unter einem "Stauteppich" hindurch, der kleine Teigwürstchen rollt.
Diese landen - wieder etwas plattgedrückt - mit ausreichendem Abstand auf den 80 mal 60
oder 90 mal 45 Zentimeter großen Blechen.
28 Grad Raumtemperatur, 40 im Gärraum mit hoher Luftfeuchtigkeit und satte
220 Grad Hitze im Backofen - in der Backstube herrschen extreme Temperaturen.
Eine Stunde lang müssen die Heferöllchen in der Sauna gären, nur zehn Minuten backen.
Je 1.000 Brötchen sind bei ihm und Bäckerei Strack bestellt, daraus werden
8.000 Timpken geschnitten. "Vor einigen Jahren waren es sogar noch mehr", sagt Tiemann.
Nicht die Uhr, das Auge sagt Matthias Schomburg, wann die Backwerke fertig sind.
Immer wieder prüft er die Färbung. Ab und zu gibt der Keilriemen des linken Ofenventilators
noch ein ohrenbetäubendes Quietschen von sich. "Das höre ich schon gar nicht mehr", erklärt
der Geselle und lacht. Am Ende nimmt Tiemann noch einen großen Pinsel in die Hand und
bestreicht die goldbraunen Stücke mit Kartoffelstärke für den richtigen Glanz.
´ Am Samstag wird das Timpkenfest um 10.30 Uhr mit einem Gottesdienst in der Stiftskirche gefeiert.
Anschließend werden die Timpken verteilt.

Bericht und Foto aus der Neuen Westfälischen